Die Polarisierung in der Gesellschaft scheint zuzunehmen. Ob man die Ergebnisse der Bundestagswahl anschaut, ob man Diskussionen zu Themen wie Energieversorgung (Stichwort Windkraft) anschaut oder in vielen anderen Bereichen betrachtet.
Die Frage ist: Was kann helfen, die Polarisierung zu überwinden bzw. zu reduzieren, die politischen Ränder zu verkleinern, Diskussionen wieder „in der Mitte“ der Gesellschaft zu führen? Dazu einige Vorschläge:
Ein erster Schritt müsste sein, die auch „in der Mitte“ vorhandene Rhetorik zu verändern. Vertrauensvoll an den Themen arbeiten – ohne (verletzende) Polemik, unnötige Angriffe und überflüssige Abgrenzung. Zuhören, Wertschätzung, Ernsthaftigkeit. Dazu braucht es Angebote: Gesprächs- und Diskussionsformate, die genau das praktizieren. Auf allen Ebenen, angefangen bei in der Politik, in Taskshows bis herunter zu Gemeinden, Betrieben und Familien.
„Ich würde es mir dringend wünschen, dass es unter denen, die die Medien machen, eine Art Verschwörung gäbe, menschlich ermutigend zu sein.“ (Richard von Weizsäcker)
Dazu gehört unbedingt auch, dass man Vorschläge nicht aus politischem oder persönlichem Kalkül heraus schlechtredet. Wenn ich gerade sehe, wie Vorschläge, die aus der Oppositionsrolle aus rein taktischen Gründen abgelehnt wurden, jetzt fast identisch aus der Regierungsrolle von den gleichen Protagonisten umgesetzt werden (Stichworte Schuldenbremse und Sondervermögen), dann macht das Vertrauen kaputt und stärkt die Ränder.
Ein weiterer Problembereich: Soziale Medien. Insbesondere hier ist eine Verrohung der Sprache und „Filterblasen“ zu beobachten. In der vermeintlichen Anonymität sind Kommentare zu lesen, die schlicht unakzeptabel sind. Dazu kommt, dass die Algorithmen der Plattformen nur ein Ziel haben: den Nutzer möglichst lang zu halten. Und das geschieht wiederum dadurch, dass gezeigt wird, das dem Nutzer gefällt – Vielfalt kommt da nicht vor. In beiden Fällen halte ich eine Regulierung der Plattformen für unumgänglich, um Beiträge zu kennzeichnen, die schlichtweg erlogen sind, um unangemessene Kommentare zu entfernen und um durch die Algorithmen wieder eine Vielzahl von Meinungen anzuzeigen.
Darüber hinaus müssen die Entscheidungen besser erklärt werden. Verständlich, klar, nachvollziehbar. Inklusive Grundlagen auch wissenschaftlicher Art und Abwägungen, die diskutiert wurden. Denn es ist nicht so, dass das alles einfach wäre – das ist nur bei Populisten so, aber nicht in der Realität, da ist es (meistens) komplex. Aber es ist erklärbar, und da gibt es noch viel Potential nach oben.
Demokratie lebt vom Wettstreit der Ideen. Das heißt natürlicherweise, dass es unterschiedliche Lösungsvorschläge gibt. Neben einer Veränderung der Diskussionskultur halte ich auch eine neue Werteschätzung des Kompromisses für notwendig. Klar, es gibt auch faule Kompromisse, aber die meine ich hier nicht. Ich meine die Situation, wo aus verschiedenen Meinungen eine bessere Lösung entsteht als die anfangs eingebrachten Ideen. Kompromisse und die Wertschätzung von Kompromissen gehört unweigerlich auch zur Demokratie. Denn in einer Demokratie kann zwar jeder seine Meinung frei äußern (mit Einschränkungen – gesetzliche Bestimmungen, Schutz der Jugend, Hassrede und Angriff auf die persönliche Ehre). Aber in einer Demokratie bekommt nicht jeder, was er will. Kompromisse sind notwendig, sie halten die Gesellschaft zusammen und sie können sehr gut sein.
„Die Basis des konstitutionellen Lebensprozesses ist überall der Kompromiss.“ (Otto von Bismarck)
Was in der großen Politik gilt, das gilt unverändert auf allen Ebenen: bei lokalen Politik-Themen genau so wie bei Diskussionen in Teams, gesellschaftlichen Gruppen sowie im Familien- und Freundeskreis. Jeder etwas dafür tun, die zu beobachtende steigende Polarisierung zu reduzieren. Geht mit gutem Beispiel voran, seid Vorbild mit Eurem Verhalten und lebt offene, wertschätzende Kommunikation vor.